Es ist passiert – du bist gekentert, die Rolle klappt nicht, du musst die Spritzdecke ziehen und aussteigen!
Auf was kommt es jetzt an?

1) Das Wichtigste zuerst: halte dich von quer im Wasser liegenden Bäumen und unterspülten Steinen fern! Wenn es irgendwie geht, schwimme so, dass du dich seitlich zur Strömung versetzen kannst, um Abstand vom Hindernis zu bekommen.

Versuche niemals, dich mit den Füßen am Boden abzustützen, solange du in der Strömung bist. Sollte sich dein Fuß zwischen zwei Steinen oder einem Ast verklemmen, kommt es innerhalb von Sekunden zu einer lebensgefährlichen Situation.

2) Aus Rücksicht auf die Gruppe solltest du, wenn möglich: dein Paddel und dein Boot festhalten, während du in der Strömung treibst. Solltest du am Rande deiner Kräfte sein, ist das Material natürlich zweite Priorität. Am wichtigsten ist, dass du dich auf dem Rücken treiben lässt, die Füsse voran und mit dem Blick in „Fahrtrichtung“ schaust.

Titelbild: Schwimmer mit weißem Helm in Wildwasser V, Foto: Martin Frick

Ansonsten: Boot voraus fahren lassen und an der hinteren Griffschlaufe halten. Droht ein Aufprall auf einen Felsblock oder Stein, kann das Boot als Prellbock dienen. Auch vor Prallwänden oder Felsen bietet das Boot ein gewisses Maß an Sicherheit. Niemals solltest du jedoch vor dem Boot schwimmen (in Fließrichtung), weil du sonst vom Wasserdruck zwischen Hindernis und Boot eingeklemmt werden kannst.

Schwimmst du an einem Kehrwasser vorbei, kannst du das Boot vielleicht hinein schubsen und hinter her schwimmen. Auch das Paddel kannst du in ein Kehrwasser werfen, oder du verwendest es, um dich mit Paddelschlägen selbst seitlich aus der Strömung zu manövrieren.

Die richtige Strategie hängt aber auch von der Situation und dem Charakter des Baches ab:

Laura Hofberger unter der Intimidator Rapid beim King of the Alps 2023

Laura Hofberger unter der Intimidator Rapid beim King-of-the-Alps 2023, Foto: Martin Frick

3) Für das Schwimmen in steilen, gestuften, flachen und felsigen Bächen lautet die Devise: Wie oben beschrieben solltest du dich auf den Rücken legen und stromabwärts blicken, die Füße also voraus. Hüfte und Füße möglichst nahe an der Oberfläche halten. Steinberührungen federt man mit den Beinen ab. Kommt eine beruhigte Uferzone oder Kiesbank in Sicht, zum Ufer schwimmen, indem man Beine und Arme einsetzt, oder mit dem Paddel schwimmt. Wenn kein Hindernis in Sicht ist, kann auch in Bauchlage gekrault werden.

4) In tiefem Wuchtwasser mit großen Wellen dagegen empfiehlt sich diese Taktik: Solange am Boot fest halten, bis man sich wieder kräftig genug fühlt. Sich eine Uferseite aussuchen (möglichst mit Kiesbank) und gezielt und gleichmäßig darauf zu schwimmen.

Rettung vom Boot aus und Wurfsack-Rettung
Solltest du von deinen Kameraden mit Hilfe eines Bootes gerettet werden, hältst du dich an der Griffschlaufe am Heck des Bootes fest, legst dich flach ins Wasser und unterstützt den Retter durch die Schwimmbewegungen deiner Beine.

5) Auch wenn dieser Artikel wohl nur graue und hypothetische Theorie vermitteln wird: es geht darum, verschiedene Szenarien und spezifische Strategien mental durchzuspielen und abzuwägen. Unsere Hoffnung ist, dass es in einer kritischen Situation gelingt, eine passende Taktik abrufen zu können, sofern sie als bereits visualisierte Handlung im Unterbewusstsein verfügbar ist.

Eine dieser Strategien ist es, sich bei Absätzen (also bevor es in eine Walze geht) klein zu machen, d.h. mit dem Körper ein kompaktes Päckchen zu bilden. Es soll schon geholfen haben, um abzutauchen und schneller in die abfliessende Strömung und aus der Walze oder aus dem Rücklauf heraus zu kommen.

6) Atmung. Ja, die Atmung ist der springende Punkt bei diesem Thema (danke an einen aufmerksamen Leser für diesen Einwand!). Schwimmen im Wildwasser ist kraftraubend und es wird öfters vorkommen, dass wir dabei von der Strömung unter Wasser gedrückt werden. Luft anhalten ist angesagt.

Fünf Kilogramm Auftrieb in der Schwimmweste sind da lächerlich wenig, wenn wir in einer Verschneidungszone absacken oder in eine Walze treiben.

Dazu kommt, dass manchmal das Wasser so luftdurchsetzt ist, dass Schwimmbewegungen kaum Wirkung zeigen, und Luft holen ist trotzdem nicht möglich. Worst case ist, dass man sich verschluckt, weil man im falschen Moment Luft schnappt.

Vielleicht hilft das. Alles hängt von deiner mentalen Stärke ab und ob es dir gelingt:

– die Kräfte gut einzuteilen,
vorausschauend Luft zu holen und kontrolliert zu atmen, um genügend Luft zu haben wenn der Atem angehalten werden muss
– ruhig und geduldig bleiben, bis sich die Möglichkeit ergibt, ein sicheres Kehrwasser zu erreichen oder der rettende Wurfsack geflogen kommt.

Anmerkung
Dieser Artikel behandelt keine Rettungstechniken und keine Strategien, wie schwierige Stellen abgesichert werden können… Vielmehr dient er dazu, die Basics vom Schwimmen als Notlösung in leichtem bis mittelschwerem Wildwasser zu vermitteln.

Quellen
Handbuch für Übungsleiter, Lehrteam Durance Kanu-BW, Stand 2021; Leserfeedback, interner Austausch Redaktionsteam.

Eine ungemütliche Illustration, die das Dilemma und die Komplexität vom Schwimmen und Retten in schwerem Wildwasser vor Augen führt

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen