Wildwasser-Schwimmwesten mit Bergegurt

Wildwasser-Schwimmwesten* sind mit dem sogenannten Bergegurt (auch: „Brustgurt“) ausgestattet. Am Bergegurt lässt sich ein Helfer während der Springer-Rettung sichern oder während der Retter im Boot sitzt, ein Cowtail befestigen, um daran Material oder einen bewusstlosen Schwimmer zu bergen.

Das wichtigste Feature des Bergegurtes ist jedoch die Notauslösung (auch: „Panikschlaufe“), damit die Sicherung im Falle eines Verklemmens jederzeit gelöst werden kann. So soll verhindert werden, dass der Bergegurt selbst zur Falle wird: Sollte sich der Bergegurt oder das daran befestigte Seil unter Wasser an einem Ast oder ähnlichem verfangen, wird der Paddler von der Strömung unter Wasser gezogen.

Um das zu verhindern, wurde die Notauslösung entwickelt, die den Bergegurt frei gibt, so dass er sich unter Last durch das lose Ende abziehen lässt.

*) Genaugenommen ist hier die Rede von „Schwimmhilfen“. Der Begriff „Schwimmweste“ wird in diesem Artikel umgangssprachlich und synonym für „Schwimmhilfe“ verwendet, was die technische Kategorie beschreibt.

Slalom Schwimmweste ohne Bergegurt (trifft auch auf Touren-Westen zu)

Wildwasser-Schwimmweste mit Bergegurt inklusive Cowtail & Notauslösung (Bergegurt noch offen)

Die Notauslösung des Bergegurtes besteht aus einer Bremsplatte aus Stahl und einer Kunststoff-Klemmschnalle mit Knauf. Wird der Gurt richtig durchgefädelt, verläuft er in einer Z-Form durch die Anordnung (siehe Abbildung unten).

Die Notauslösung – wie gut funktioniert sie?

Allerdings löste in der Vergangenheit nicht jeder Gurt immer und zuverlässig aus. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass wir daran ein Kajak abschleppen und auf eine Walze zu fahren. In dieser Situation liegt es nahe, den Gurt auszulösen, da das Kajak mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Walze hängen bleiben wird. Das Problem: vor der Walze treibend, wird das Boot wohl nicht genügend Zugkraft entwickeln, um den Gurt sauber auszulösen.

Auch wenn der Gurt zu lange ist, kann bei einer Auslösung der sogenannte Peitschen-Effekt dazu führen, dass sich das Gurtende mehrfach um die Schnalle wickelt und eine Auslösung verhindert, oder zumindest verzögert.

Die Notauslösung optimieren – so geht’s!

Grundsätzlich muss der Bergegurt immer in Z-Form durch die Bremsplatte und die Klemmschnalle geführt werden, und darf nie direkt (ohne Umlenkung) auf die Schnalle eingefädelt werden.

Damit die Notauslösung auch gut funktioniert, muss individuell ausprobiert werden, ob der Gurt einmal oder zweimal durch die Bremsplatte aus Stahl geführt werden soll und es sollte das Ende des Gurtes auf ca. 10 cm gekürzt werden, um ein Verdrehen und Verklemmen zu vermeiden. Nur so ist sichergestellt, dass der Gurt im Notfall sowohl hält, als auch reibungslos aufgeht und das verklemmte Seil/Cowtail frei gibt.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Schnalle im Moment des Auslösers vom Köper weg gezogen werden muss. So verhindert man, dass der Druck der Schnalle auf die Weste die Reibung des Systems erhöht. Auch die Auslösung sollte deshalb immer wieder geübt werden.

Bergegurt einfach durch die Bremsplatte geführt

Bergegurt zweifach durch die Bremsplatte geführt (in beiden Fällen ist die Schnalle noch offen, dient nur der Veranschaulichung des Einfädeln des Gurtes durch die Bremsplatte)

Bergegurt einfach durch die Z-Anordnung geführt, Schnalle geschlossen

Gurtende ist ungekürzt und zu lange, es besteht die Gefahr, dass sich das Gurtende beim Auslösen durch den Peitscheneffekt verhängt oder die Auslösung verzögert wird

Richtig: Gurtende auf ca. 10 cm gekürzt

Weitere Erkenntnisse einer Studie aus England

Da die von den Herstellern verwendeten Materialien und die Geometrie der Z-Anordnung und der Schnalle selbst sehr unterschiedlich sind, muss man die richtige Einstellung individuell ausprobieren und austüfteln.

Deshalb haben sich zwei Experten aus England nochmals mit dem Thema befasst.

Loel Collins und Chris Onions – beide seit Jahrzehnten in der Swiftwater-Rescue-Szene engagiert – haben sich mit wissenschaftlicher Manier dem Thema genähert und eine Studie dazu veröffentlicht (Quelle: siehe unten).

Die folgenden Tipps können helfen, falls die Auslösung einmal nicht reibungslos funktioniert:

  • Der Knauf der Notauslösung sollte vom Körper weg so weit wie möglich nach vorne gezogen werden. Dort sollte er gehalten werden, bis der Gurt durchgerutscht ist. Notfalls kann man die Schnalle so auch hoch und runter bewegen
  • Mit dem Daumen könnte zusätzlich die Bremsplatte leicht bewegt werden.
  • Befindet man sich im Wasser, kann eventuell der Wasserdruck dadurch erhöht werden, dass man Arme und Beine zu einem X formt und ausstreckt
  • Befindet man sich im Kajak während einer Materialbergung – und muss die Notauslösung verwenden, kann man vom Material weg paddeln, oder man beugt den Körper nach vorne, um den Druck zu erhöhen

(Sollte der Link nicht funktionieren: bitte nach „Improving the performance of swift-water rescue quick release harnesses“ auf der Seite der University of Lancashire oder nach dem Magazin „Journal of search and rescue“ Volume 1, Issue 3 suchen.)

Notauslösung klappt mal besser und mal schlechter – Was lernen wir daraus?

Wie wir gesehen haben, ist eine verzögerungsfreie Auslösung von verschiedenen Faktoren abhängig. Aktuell ist jeder Paddler individuell dafür verantwortlich, seinen Gurt passend einzustellen, abzulängen und durch Training die Auslösung so sicher wie möglich zu machen – z.B. indem die Auslösung vom Körper weg gezogen und dort gehalten wird, bis das Gurtende durch die Schalle gerutscht ist.

Zumindest einem Problem hat sich der Hersteller Palm angenommen und dafür eine Lösung entwickelt: Um das Reststück des Gurtes auf 10 cm einstellen zu können, hat Palm eine zusätzliche Schnalle auf der Seite eingebaut, die dazu dient, den Gurt in seiner Länge zu verstellen. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, den Bergegurt auf 10 cm abzuschneiden und man kann die Weste an unterschiedlich stark auftragende Kleidung anpassen oder sie an Paddler der gleichen Gewichtsklasse ausleihen.

Der einzige Nachteil besteht darin, dass der Gurt fest mit der Weste vernäht wird. Das macht einen eventuellen Austausch etwas aufwändiger. Davon abgesehen würden wir uns wünschen, dass mehr Hersteller diesem Beispiel des variabel anpassbaren Bergegurtes folgen würden.

Ergänzungen zum Cowtail

Über den Nutzen und die Risiken eines Cowtails gibt es unterschiedliche Ansichten, auf die wir im Detail nicht eingehen. Wie bei jedem Hilfsmittel entscheidet am Ende die richtige Anwendung über Sinn und Unsinn:

 

  • Soll ein Cowtail zum Einsatz kommen, muss darauf geachtet werden, dass sich der Karabiner beim Verhängen selbständig lösen kann, z.B. durch einen durchtrennten D-Ring oder wie in der Abbildung oben durch ein Klettband oder ähnliches
  • Von einem Klettband, das den O-Ring des Bergegurtes an Ort und Stelle hält, wird in der oben genannten Studie abgeraten, da dieser in einer Versuchsanordnung die nötige Zugkraft entsprechend erhöht hat. Im Extremfall kann das dazu führen, dass der Bergegurt nicht mehr durchrutscht
  • Es sollte nur Cowtail oder Wurfseil im O-Ring des Bergegurtes eingebunden sein, wenn möglich nicht beide gleichzeitig. Werden mehrere Seilhilfen eingebunden, steigt erneut das Risiko eines Verhängens
  • Auch ein im Bergegurt vorbereiteter Schraubkarabiner sollte vor jeder Fahrt darauf hin geprüft werden, ob er verschlossen ist
  • Wird eine Person für die Springerrettung eingebunden, sollte sie immer mit einem Schraubkarabiner verbunden werden

Text und Fotos: Martin Frick
An diesem Artikel haben mitgearbeitet: Bob & Flash